Bücherwurm

Willkommen auf der Seite Bücherwurm, der Seite mit einigen lustigen Pannengeschichten "Rund um THONET".

Zusammengestellt von Dieter Staedeli und Heinz Kähne.

Liebe Besucher, liebe Leser,

Es gibt mittlerweile eine Reihe an guten, informativen und lesenswerten Publikationen über Bugholzmöbel, insbesondere der Firma Gebr. Thonet. Liebhaber und Sammler, Händler und Flohmarktgänger verfügen mit den durchweg sauber recherchierten Veröffentlichungen über ein unverzichtbares Potential an Wissenswertem über die Historie, die Technik, die Unternehmer und die Produktpalette im Themenbereich "Bugholz". Und bei aller Sachlichkeit und Richtigkeit sind es doch gerade die kleinen Fehlerchen und Missgeschicke, die die Bücher dann auch noch liebenswert, ja menschlich machen. Wir haben hier zum Schmunzeln einmal ein paar solcher Missgeschicke gebündelt und wissen, dass sich niemand mehr über solch ein Missgeschick ärgert als die jeweiligen Autoren selbst, denn freilich ist es das hohe Ziel eines jeden Schreibers, "das perfekte Buch" zu machen. Darum sei vorab angemerkt: alle hier vorgestellten Bücher sind absolut empfehlenswerte Veröffentlichungen und den Autoren gilt tiefer Dank für ihre Arbeit und eine Verneigung vor ihrem Fachwissen über das Phänomen "Bugholz".

1. Wenn Fehler auffallen, ist es häufig zu spät für eine Korrektur. Bereits in dem (heute auch als Reprint verbreiteten) Sortiment-Katalog der Fa. Gebr. Thonet von 1904 ist der Fehlerteufel durch die Angabe von falschen Verkaufspreisen aktiv gewesen. Und so musste ein eigenes kleines Kapitel "Richtigstellung von Druckfehlern" dem Katalog vorangestellt werden.

2. Winfried Kretschmer hat ein tolles Buch mit dem Titel "Geschichte der Weltausstellungen" (Campus Verlag 1999) vorgelegt. Aber irgendwie muss er ein falsches Foto erwischt haben. Über seiner Bildunterschrift zeigt Kretschmer nicht etwa den berühmten Bugholzstuhl Nr. 14, sondern das Modell Nr. 2 aus einer ganz frühen Fertigungsphase. Während der Text also ein Massenprodukt beschreibt, zeigt das Foto eine extrem seltene Rarität.

Text unter obiger Stuhlabbildung: "Der Klassiker. Thonet zeigte seinen berühmten Bugholzstuhl Nr. 14, von dem bis 1930 rund 50 Millionen Exemplare verkauft wurden".

3. Ein Klassiker unter den Büchern über Bugholz ist von Asenbaum / Hummel herausgegeben. In diesem Ausstellungskatalog mit dem Titel "Gebogenes Holz" von 1979 hat der Druckfehlerteufel seine ganze Gemeinheit in das Vorwort von Karl Mang eingebracht: "...Mit dem Eintritt Siegels in das Entwurfsbüro einer Burgholzfirma..." Natürlich war die Firma J. & J. KOHN keine Burgholzfirma, sondern eine Bugholzfirma.

4. Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg hat unter der Federführung von G. Bott 1989 einen vielbeachteten Ausstellungskatalog mit dem Titel "Sitzgelegenheiten" herausgegeben. Der Katalog ist heute schon selbst eine gesuchte Rarität. Im Katalogteil ist auf Seite 211 (Mitte links) ein recht wohlgefälliger Bugholzstuhl der Firma THONET abgebildet, der mit der Modellnummer 704 vorgestellt wird. Auf Grund fehlender Katalogquellen hat H. Kähne diese Angaben unreflektiert übernommen, als er 1999 sein Taschenbuch "Thonet Bugholzklassiker" (Rhein-Mosel-Verlag) geschrieben hat. Hier ist das Stuhlmodell auf Seite 74 abgebildet und wird gleichfalls als Modellnummer 704 ausgewiesen. Ätsch - alles falsch! Der bei Bott und Kähne abgebildete Stuhl trägt die Modellnummer 384 / I e (Bild links).

Aber welcher Stuhl verbirgt sich denn nun tatsächlich hinter der Bezeichnung 704? 704 ist grundsätzlich der gleiche Entwurf, jedoch in der Ausführung mit rechteckigen Holzquerschnitten (Bild rechts). Stuhl Nr. 704.

5. Im Jahr 2003 ist im Böhlau-Verlag anlässlich einer Ausstellung zum 150ten Firmenjubiläum "Gebr. Thonet" in Wien ein wunderschönes Buch unter dem Titel "Gebrüder Thonet, Möbel aus gebogenem Holz" erschienen. Darin schreibt Eva Ottillinger auf Seite 13: "Thonet entschloss sich daher im Mai 1842 auf Grund der drückenden Schuldenlast - seine Werkstatt mit einem Möbellager von 800 Modellen stand vor der Pfändung und eine für den Wiener Hof bestimmte Fuhre wurde in Frankfurt beschlagnahmt..." Ein Möbellager mit 800 Möbeln? In Boppard? Nein - hier ist wohl eine verkaufsfördernde Aussage von Michael Thonet falsch interpretiert worden. Thonet hatte in Boppard kein Möbellager mit 800 Möbeln oder gar 800 Modellen. Man stelle sich allein das Raumvolumen für einen Containerschuppen zur Unterbringung von 800 Möbelstücken vor. Und warum würde eine Kutschenfuhre mit ein paar singulären Möbeln bei Frankfurt beschlagnahmt, wenn doch ein Lager mit 800 Möbeln in Boppard vorrätig gewesen wäre?

6. Die bildhaft am meisten verbreitete Unrichtigkeit geht ursächlich auf die Firma THONET in Frankenberg zurück. Nicht jeder Autor hat ein Bugholz-Museum oder eine opulente Privatsammlung an Bugholzmöbeln zur Verfügung um seine Fotos zur Bebilderung selbst herstellen zu können. Braucht man Abbildungen, dann fragt man um Fotos natürlich auch bei der Firma THONET in Frankenberg an. Hilfsbereit, sehr zuvorkommend und lobenswerterweise kostenfrei stellt man dann gern dem aktiven Autor das im Archiv vorhandene Bildmaterial zur Verfügung. So kommt es, dass im Laufe der Jahre immer wieder Autoren um Abbildungen nach dem seltenen Stuhlmodell Nr. 51 dort angefragt haben. Leider fehlen auf dem Bildmaterial im Archiv in Frankenberg am Stuhlmodell Nr. 51 die gerade für dieses Modell so typischen Bocksfüsse! und so kommt es, dass das Modell Nr. 51 in zahlreichen Büchern lediglich fussamputiert zu sehen ist, u.a. in:

- Asenbaum / Hummel: Gebogenes Holz (Abbildungstafel 13)

- Mang, Karl: Thonet Bugholzmöbel (Seite 77)

- Ostergard, Derek E.: Bent Wood and Metal Furniture (Seite 234)

- Kähne, Heinz: Thonet Bugholz-Klassiker (Seite 57)

- Gaillard, Karin: Buigen Zien en Zitten. Designklassiekers van THONET (Seite 16)

Tja - und auf dem Innenumschlag des letztgenannten Buches sind die wertvollen Stücke des Firmenmuseums in Frankenberg auf dem Hof der Firma für ein Foto positioniert - und da steht auch der 51er in der ersten Reihe - ohne Füsse!

Bild rechts: Thonetstuhl Nr. 51 MIT den originalen Bocksfüssen.

7. Bernhard E. Bürdeks Buch "Design" Geschichte, Theorie und Praxis der Produktgestaltung" (Dumont Verlag, 2. Auflage 1994) widmet seine Aufmerksamkeit auch der Produktpalette von THONET. Da ist zu lesen: "In den Thonetschen Stühlen manifestiert sich somit ein wesentlicher Leitgedanke des Designs -hohe Stückzahlen bei reduzierter Ästhetik..." (Seite 23). Thonet hat absichtvoll die Ästhetik seiner Möbel reduziert um unästhetische Möbel zu produzieren? Nun ja - über Geschmack lässt sich trefflich streiten, aber mit der Meinung, dass Thonet absichtvoll die Ästhetik seiner Möbelmodelle reduziert haben soll, steht Herr Bürdek sicherlich allein.

8. Wieviele Kinder hatte Michael Thonet eigentlich? Und wie hiessen diese Kinder? Klar - der älteste Sohn hiess Franz, wurde 1820 geboren und starb 1898. Klar? Nein! In dem Buch "THONET-MÖBEL" aus der Reihe "Antiquitäten" von Albrecht Bangert (Heyne Verlag 1979; 2. Auflage 1981, Seite 59) wird aus Franz der Hans.

Unter den vielen Kindern von Michael Thonet war freilich auch ein Sohn namens Johann (somit also doch ein Hans), aber der ist schon im Säuglingsalter anno 1835 gestorben. Aber wer blickt bei dreizehn Kindern schon so exakt durch?

9. Die Bedeutung von Michael Thonet für die Geschichte des Möbelbaus ist unbestritten und daher wird in nahezu allen Kompendien über Möbel-Stilkunde auch diesem Entwickler des industriell gefertigten Bugholzmöbels ein eigenes Kapitel gewidmet. Auch in dem Buch "Möbel Stilkunde" von Renate Dolz (Heyne Verlag, 1990 und 1997) ist für Thonet eine Seite eingerichtet. Aber hier wird der Seniorchef der 1853 gegründeten Firma Gebr. THONET ganz offensichtlich seiner Verdienste beraubt, denn da ist zu lesen: "Die fünf Söhne führten ab 1853 mit Erfolg das Lebenswerk des Vaters fort,..." Armer Papa Thonet! Sein Leben bzw. sein Lebenswerk ist 1853 nun wirklich noch nicht beendet! Der Erfolg hatte sich 1853 gerade mal angedeutet und der Durchbruch zur Weltfirma sollte in den kommenden Jahren bis zu Michael Thonets Tod 1871 erst noch stattfinden!

10. Anlässlich der Feier des 200. Geburtsjahres erstellt Brigitte Schmutzler 1996 für das Landesmuseum Koblenz ein Thonet-Buch für Kinder. Die Aufmachung dieses Büchleins ist ansprechend und durchaus kindgemäss. Die Kinder können sogar handlungsorientiert eine Drehscheibe rotieren lassen und in einem Sichtfenster erscheinen dann verschiedene Impressionen. Konkret: Auf Seite 14 ist das Thonet-Stuhlmodell Nr. 12 abgebildet und die Füllung des grossen Rückenelements ist ausgestanzt. Seitlich ist eine Drehscheibe aus Pappe zu bewegen. Durch Drehen dieser Scheibe kann das Kind nun wahlweise dieses Rückenelement füllen mit:

- einem Sitzgeflecht, bei dem deutlich die Vorderbeinbacken zu sehen sind

- dem Intarsia Furniersitz Nr. XXVI

- dem wetterfesten Holzsitz Nr. XXII im Triangeldesign (Abb.)

- dem Flachintarsiasitz Nr. VI, der nur bei Kindermöbeln montiert worden ist.

Aber alle diese Varianten gab es beim echten Thonet-Stuhlmodell Nr. 12 nie. Der 12er wurde in aller Regel mit aufwändig gefertigtem Feingeflecht ausgestattet. Vielleicht hat sich Frau Schmutzler ja vom Untertitel ihres Kinderbuches etwas zu stark leiten lassen. Der Untertitel lautet: "Eine unglaubliche Geschichte". In der Tat! 

11. Das Museum der Stadt Boppard hat für den Verkauf an der Museumstheke eine Diareihe von qualitativ sehr guten Bildern herstellen lassen. Dazu wurde auch ein Begleitheft in Auftag gegeben. Dort wird unter dem Titel "THONET" ein Stuhl im Schattenriss abgebildet - aber selbst im Schattenriss ist sehr klar zu erkennen, dass man hier ein schichtverleimtes Konkurrenz-Möbel (Modell-Motiv Nummer 8) mit getischlertem Sitzrahmen (wahrscheinlich Neyger) erwischt hat. Im Inneren des Begleitheftes wird diese Titelabbildung als "Der berühmte Sessel Nr. 14" ausgewiesen. Nein - das ist noch nicht "der berühmte Sessel Nr. 14" - denn der "berühmte 14er" hat im Unterschied zu dem abgebildeten Modell einen runden Sitzring. Und der Sitzrahmen des berühmten 14ers ist auch nicht getischlert, sondern gebogen. Also merke: Nicht überall wo THONET draufsteht, ist auch Thonet drin!

12. Fehler im Umgang mit THONET haben in Boppard Tradition. Im Bopparder Anzeiger (Juli 1896) ist unter der Überschrift GESCHENK zu lesen: "Die Herren Gebrüder Thonet aus Wien übermitteln anlässlich der hundertjährigen Gedenkfeier des Begründers des Welthauses Thonet dem hiesigen Cigarrenabschnitts-Sammelverein zur Unterstützung armer hiesiger Konfirmanden ohne Unterschied der Konfession ein Geschenk von 1000 Mark." Die Herren Gebrüder Thonet waren die Brüder Franz und Michael junior, die ihren Lebensabend bekanntlich in Boppard verbracht haben. Aber irgend etwas muss die beiden alten Herren wohl an der Zeitungsmeldung gestört haben, denn schon in der darauf folgenden Ausgabe der gleichen Zeitung war die Berichtigung zu lesen:

"Die in voriger Nummer enthaltene Notiz betr. Geschenk der Herren  THONET  ist dahin zu berichtigen, dass es heissen muss: nicht an arme Konfirmanden, sondern arme SCHULKINDER ohne Unterschied der Konfession, ferner nicht 1000, sondern hundert Mark." Es ist allerdings nicht bekannt, WER für die falsche Nachricht in der Presse verantwortlich gemacht worden ist.


Heinz Kähne:

"Ich hatte anno 1999, so glaubte ich, das Skript für mein Thonet-Taschenbuch (Rhein-Mosel Verlag) durchaus gründlich durchgelesen und Fehler bereinigt. Aber dann kam der grosse Tag der Auslieferung des Buches. Ich blätterte nur flüchtig über die Seiten und schon nach weniger als 20 Sekunden hatte ich den ersten Fehler gefunden. Im österreichischen (und auch Thonetschen) Sprachgebrauch handelt es sich bei einem Stuhl um einen Sessel und bei einem Armlehnstuhl um einen Fauteuil. Und was hatte ich angestellt? Neben dem Foto des Sessels Nr. 13 steht erklärend: "Edelmodell mit aufwändiger Verarbeitung: Fauteuil Nr. 13..." anstatt Sessel Nr. 13!"

14. Nun gut - auch in der von der Firma Gebrüder THONET in Frankenberg herausgegebenen Jubiläumsschrift "Das Haus THONET" wird eine Konstruktionszeichnung eines Fauteuils nebenstehend fälschlicherweise als "Sessel" deklariert. Auf 5 Seiten werden dann in dieser Publikation galerieartig die wichtigsten Modelle abgebildet. Stuhlmodell Nr. 13 wird vorgestellt als: " Sessel Nr. 13, anscheinend früher Prototyp mit alter Fußform". Aber bei dem Sessel Nr. 13 gab es im gesamten Produktionszeitraum der Firma THONET nur eine Erscheinungsweise der Form der Stuhlbeine - demnach gab es keine "alte" oder "neue" Fußform. Die alternative Fußform (mit Kapitellen) wurde von der Firma D. G. FISCHEL produziert - nicht von Thonet.

Links: Modell Nr. 13 von FISCHEL mit "Fusskapitellen". Rechts: Modell Nr. 13 von THONET mit "Fischauge" in der Beinkonstruktion.

15. Einer der besten Kenner von Möbeln ist der damalige Direktor des Vitra Design Museums in Weil am Rhein - Alexander von Vegesack. Doch auch ein noch so qualifizierter Einblick in die Thematik "THONET" schützt nicht vor dem kleinem Teufelchen, das die Fehler bekanntlich ins Detail gesteckt hat. Und so muss man in A. von Vegesacks Buch "Das Thonet Buch" (Bangert Verlag München 1987) schon sehr genau hinsehen, um den Fauxpas zu bemerken. Dort ist auf Seite 88 ein Foto mit einem Blick in die Halle der Gewerbeausstellung von 1854 in München wiedergegeben. Von Vegesack glaubt die Modelle erkannt zu haben und schreibt: "Auf einem Ausstellungsfoto der Gewerbeausstellung in München 1854 sind die Modelle Nr. 1 (Schwarzenberg), Nr. 2 und Nr. 3 zu sehen." Nr. 2 und Nr. 3 - ja! Richtig, die sind auf dem Foto zu sehen. Aber Modell Nr. 1, das in seiner frühen Ausprägung auch als Palais Schwarzenberg-Stuhl bezeichnet wird? Nein, der ist auf dem Foto nicht zu finden. Stattdessen erkennt man eine sehr mysteriöse Stuhltype, die nach heutigem Wissensstand vermutlich tatsächlich die Nr. 1 bei Thonet war, jedoch aus Gründen der Instabilität wieder aus dem Programm genommen wurde. Stattdessen wählte man später den Schwarzenberger-Stuhl als die neue Nr. 1 bei Thonet.  (Originalbild ohne Texte und Kreisel). EIne weitere These zum Bild könnte sein, dass diese uns so unbekannte Möbelgattung im Hintergrund vielleicht bereits einem anderen Messestand angehörte? Solche Aufnahmen sind in aller Regel von weit her belichtet und deshalb sehr verzehrt photografiert und es könnten sich zwischen den Möbeln locker 5 - 10 Meter Abstand befinden. Aber wer sollte dann dieser Konkurrent in München 1854 gewesen sein?

Was da so genau in der Ausstellung von 1854 steht, ist schwer zu sagen, weil das Modell uns heute in dieser Form nicht bekannt ist – aber klar ist: Der Schwarzenberg-Stuhl ist es nicht! Bild links: Ausschnitt aus dem etwa 5 Jahre später entstandenen Thonet-Plakat von 1859: Thonet-Sessel Nr. 1.

16. Das wohl auflagenstärkste Fachbuch über Bugholzmöbel haben A. Bangert und P. Ellenberg herausgegeben. Das Buch mit dem Titel "Thonet Möbel“ ist mittlerweile das Standardwerk zum Thema Bugholz überhaupt.

Die lustige Panne auf Seite 113 hat wohl ein übereifriger Retuscheur verursacht und dem Le Corbusier-Stuhl (Modell 6009 bzw. B9) das Stück vom Hinterbein herausgeschnitten, welches sich normalerweise zwischen Fußring und Sitzrahmen befindet. In der mittlerweile erschienenen dritten Auflage des Buches ist der Stuhl nun auch wieder ergänzt und das demontierte Stück Hinterbein wieder eingefügt.

Die Stuhl-Manipulation des KOHN-Sessels auf Seite 44 ist jedoch auch in dieser dritten Auflage noch nicht korrigiert worden. Hier hat der emsige Retuscheur gleich den gesamten Fußring wegretuschiert – bis auf einen kleinen Rest links unten nahe dem unteren Bildrand.

17.  Das für den Laien wohl didaktisch am besten ausgearbeitete Buch hat Georges Candilis mit dem Titel „Bugholzmöbel“ (Karl Krämer Verlag, 3. Aufl. 1997) konzipiert. Viele Skizzen und Konstruktionszeichnungen tragen zum Verständnis der mitunter komplizierten Strukturverläufe der einzelnen Bugholzelemente eines Möbels bei. Aber der Setzer war Herrn Candilis auch nicht durchgehend wohl gesonnen. Aus Mackintosh macht er Mackintoch (Seite 105), aus der Firma KOHN macht er KHON (Seite 103) und das Stuhlmodell Nr. 29 wird kurzerhand als Modell Nr. 24 deklariert (Seite 89). Für die Verwechslung der Lokalitäten der Weltausstellungen in London kann man aber nicht so einfach den Setzer verantwortlich machen. Candilis schreibt. „ Nr. 16 und Nr. 17: Im Gegensatz zum Sessel Nr. 14 sind diese Modelle schon viel komplizierter. Ein Einfluss der Struktur des Kristallpalastes der Londoner Ausstellung von 1862 läßt sich nicht verleugnen.“ (Seite 94). Also: Die Weltausstellung im Kristallpalast in London fand bereits 1851 statt. London war aber auch wieder Ausrichter der Weltausstellung 1862 – aber diesmal fand die Ausstellung eben nicht im Kristallpalast statt, sondern in dem architektonisch eher zweifelhaften, monumental protzigen Industriepalast. Dieser Industriepalast hätte sich in keiner Weise als Vorbild für ein elegantes Möbel geeignet. Bild unten: Erwähnenswert, weil von besonderer Originalität sind jedoch die lustigen Zeichnungen in diesem dreisprachigen Buch, die immer wieder beim Leser ein Schmunzeln erwirken.

Bild unten: Zigarren-rauchender Möbelrestaurator (Seite 194) Candilis in jungen Jahren? Nein! Zufällig baumelt hinten an der Wand die Rückenlehne eines zerlegten Thonet-Fauteuils Nr. 221, dessen Hinterbein -ganz trügerisch- dem gelassen wirkenden Restaurator in Form einer Zigarre aus dem Mund zu hängen scheint.

18. Viele Bugholzfirmen haben ihre Produkte mit Herstelleretiketten oder / und einem Stempel mit dem Schriftzug des Unternehmens versehen. Die Auszeichnungen, die bei Sitzmöbeln fast ausschliesslich an der Innenseite des Sitzrahmens angebracht sind, sind eine zentrale Hilfe zur Hersteller-Identifizierung der Möbel. Auch die Firma Kohn hat solche Stempelungen vorgenommen und die Möbel mit J. & J. KOHN (oft noch in Ergänzung mit der Produktionsstätte) irreversibel gekennzeichnet.

Kann man da beim Stempeln Fehler machen? Normalerweise nicht. Aber wie kommt es dann zu der Kennzeichnung KOHN J. & J. ? Da hat wohl der professionelle Stempel-Angestellte der Firma Kohn irgendwas durcheinandergebracht und somit wenig Professionalität gezeigt!

19. Auch die Firma Thonet ist vor mangelhaften oder übermässigen Prägungen ihrer Erzeugnisse offenbar nicht verschont geblieben. Schon sehr früh bemühte sich die Firma Thonet mit der deutlichen Kennzeichnung ihrer Fabrikate. Schliesslich waren Michael Thonet und seine Söhne die stolzen Erfinder der an Dampf gebogenen Möbel. Etwa um 1865 wurde nebst des ersten Papieretiketts auch die Prägung „THONET“ mittels einer Prägemaschine in die Innenseiten der Sitzrahmen unter Druck eingepresst. Die Stempel wurden entweder natur belassen, oder mit schwarzer, oder weisser Farbe zur besseren Kennung angefärbt. Aber offenbar hatte hier ein sehr emsiger und überaus qualitätsbewusster Fabrikarbeiter gleich zwei Thonetprägungen angefügt und sie mit bestem Wissen und Gewissen einmal weiss und einmal schwarz angefärbt. Da konnte nun wirklich absolut nichts schief gehen, und er würde sich seiner sicher sein, damit grosses Lob seines Chefs zu erhalten! (Bild Archiv Vanhoutte)

20. Mit Trauer und Bedauern haben wir den Tod von Seniorchef Georg Thonet zur Kenntnis genommen. Aber selbst in dieser Nachricht hat sich der gemeine Fehlerteufel eingeschlichen. Die Rhein-Hunsrück-Zeitung vom 27. Juli 2005 (Seite 15) vermeldet unter der Überschrift „Georg Thonet verstarb im Alter von 96 Jahren“ : „Georg Thonet wurde am 12. April 1909 in Bystritz in der Provinz Mähren in der damaligen österreich - ungarischen Monarchie geboren.“ ...und weiter: „Georg Thonet legte 1914 das Abitur (Matura) ab und studierte an der technischen Hochschule.“ Bei allem Respekt vor dem Lebenswerk von Georg Thonet – aber Abitur im zarten Alter von 5 Jahren?

21.Schon damals, als Michael Thonet in den frühen Jahren in Wien um 1850 noch seine schichtverleimten Möbel produzierte, war er nicht konkurrenzlos. Der Tischlermeister "Josef Neyger" und andere kopierten freimutig die Thonetformen, ja gingen sogar wegen "Gewerbestörung" gegen Thonet vor, obwohl dieser Privilegienschutz auf seine Erzeugnisse genoss.
In seiner Annonce von 1863 zeigt Josef Neyger nicht nur bildlich zwei Modelle seiner Sitzmöbel sondern scheint sich auch gleich für eine allfällige Schadensbegrenzung zu empfehlen: "Alle Gattungen Reparaturen dieser Art Möbeln werden billigst hergestellt."
(Bild aus dem Buch A. von Vegesack, "Das Thonet Buch", Bangert Verlag).

22. In einem 8-seitigen Hochglanz-Farbprospekt, welches der geschätzte Antiquitäten-händler Patrick Kovacs aus Wien anlässlich der Salzburger Möbelmesse 2006 publiziert hat, findet sich als Aufmacher ein Beitrag über das berühmte Schaukelsofa Modell Nr. 7500 und andere Schaukelmöbel. Kovacs zitiert eine auch angegebene Quelle, erweckt aber durch die sprachliche Formulierung den Eindruck, Michael Thonet sei 100 Jahre alt geworden. In dem Prospekt ist zu lesen:

„Michael Thonet meinte zu diesem Sitzmöbeltypus 1896: „ das gebogene Holz als Material hat damit ein beliebtes, heute fast unentbehrlich erscheinendes Hausmöbel geschaffen, das ohne die Erfindung der gebogenen Möbel heute, zumindest als Consumartikel wahrscheinlich gar nicht existieren würde,...““. Tatsächlich ist Michael Thonet 1871 gestorben und hat dann wohl 1896 sicherlich keine Meinungsäußerung mehr getan.

23. Eine interessante, um nicht zu sagen misteriöse Textzeile befindet sich im Katalogheft "Thonet, Pionier des Industriedesigns 1830 - 1900". Der informative interessante und schön gestaltete Katalog -leider ohne Seitenzahlen- wurde anlässlich einer Thonetausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein 1994 vom Direktor des Museums, Alexander von Vegesack herausgegeben. Etwa in der Mitte des Heftes, wo als Abbildung Nr.24 ein zur Demonstration zerlegter 14er Stuhl abgebildet ist, liest man oberhalb folgenen Text: "Alle Konkurrenzmodelle, die oft auch illegal mit dem Thonet-Label verkauft wurden, hatten dagegen nur getischlerte Sitzrahmen und weitaus-schweifende Lehnbögen mit wulstigen Übergängen". Solche Modelle sind wohl bekannt und man könnte einige davon in die Reihe der sogenannten "Neygermöbel" stellen (s. auch Stuhlgalerie). Welche Beweggründe der Redaktor und Texter Mathias Schwartz-Clauss und Alexander von Vegesack zur Veröffentlichung dieses Textabschnittes gehabt haben könnten, entzieht sich unserer Kenntnis, respektive möchten wir nicht näher erläutern, aber die damit gemeinten und erwähnten Möbel sind schon damals wie heute niemals mit gefälschten Thonetetiketten versehen worden!

FINALE

Der bekannteste unter all den hier zitierten Autoren hat zugleich auch den wohl lustigsten Blödsinn über Thonet verbreitet: Es ist der Autor des Struwwelpeter – Dr. Heinrich Hoffmann, selbst mehrmals zu Gast in Boppard. Eine Passage aus seinen „Lebenserinnerungen“ über den Lebensabend von Franz und Michael Jr.(erschienen 1926 im Verlag Englert und Schlosser), die wir hier unkommentiert wiedergeben, soll unseren Ausflug in die Pannengeschichte "Rund um THONET“ beschließen.  

"Eine andere Familie ähnlicher Art in Boppard sind die Gebrüder Thonet, die bekannten Wiener Stuhlfabrikanten. Der Vater der zwei hier lebenden Brüder war ein armer, am Hungertuch nagender Schreiner, der einst zu seiner Frau sagte: “Hier hast du die Hälfte des geringen Geldbetrages, den wir noch besitzen, sieh zu, wie du hier fortkommst. Ich will in der Welt draußen mein Glück versuchen, und, gelingt´s mir, euch zu mir kommen lassen.“ – Und es gelang ihm über alles Erwarten durch die Erfindung der Möbelfabrikation von in heißen Dämpfen gebogenem Holze. Das österreichische Ministerium half den Leuten. Sie besitzen jetzt Waldungen und Fabrik in Mähren, das Hauptgeschäft in Wien, Filialen in Frankfurt, Paris, London und allerorten. Die Söhne führten das Geschäft weiter, sie sind jetzt auch bejahrte Männer, von denen zwei sich als müde Arbeiter nun hierher zurückgezogen haben. Der eine wohnt in einer kleinen Villa am Rhein, hat den Uferrand auf eine weite Strecke mit massiven Quaimauern herstellen lassen und auf einem Berge Anlagen mit einem Pavillon darin als „Thonetsruhe“ der Stadt geschenkt. Als der zweite Bruder vor einigen Jahren den hiesigen besuchte, kaufte er unten am Rhein ein großes Stück Feld und ließ sich eine stattliche Villa in einem barocken gotischen Phantasiestil erbauen. So kehren die Schafe von der Weide oder die müden Tiere von der Arbeit wieder in ihren Stall zurück.“

Die schlossartige Villa, wie sie der Autor Dr. Heinrich Hoffmann als "kleine Villa" bezeichnet. Sie wurde von einem Herrn Mallmann gebaut und dann an Franz Thonet verkauft. Michael Thonet Jr. wohnte nicht in der gleichen Villa. Er erbaute im Bopparder Hamm (Rheinbogen) seine eigene Villa wenige Jahre später.